Ein Alternativkonzept zum Abriss des Jugendzentrums Moabit
Masterarbeit von Lisa Woebcken & Mascha Ritter

Wie könnte eine sinnvolle Alternative zum Abriss einer Ikone aus dem Brutalismus und eine Neuinterpretation unter heutigen Gesichtspunkten aussehen?

In Berlin-Moabit, am Rande des heutigen Fritz-Schloss-Park, steht ein bemerkenswertes Gebäudeensemble. Das ehemalige “Jugendzentrum Tiergarten”- von NGP Architekten 1969–72 geplant – mit seinen imposanten roten Backstein- und Betonfassaden und den vorgelagerten Brücken ist eines der wenigen Relikte aus der Ära des Brutalismus in Berlin. Seit jahrelanger Verwahrlosung und dem drohenden Teilabriss plant die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) an seiner Stelle ein großes Wohnungsbauprojekt.

Das Ensemble vereinte eine Vielzahl von sozialen und Jugendeinrichtungen in einer Art ‘Bildungscampus’, und steht somit für eine radikal soziale Haltung.

Vokabular des Bestandes: Diese repetitiven, archetypischen Bauteile bilden das funktionale und gestalterische Repertoire: runde Treppentürme bilden die Bewegung des Innenraumes nach außen ab. Prägnante Betonstürze betonen die Horizontalität des Flachbaus wie die Vertikalität des Hochhauses. Hervortretende Fenster rahmen den gezielten Blick in die Stadt.

 

EINE ERGÄNZUNG

Alternativ zum Abriss und zur Errichtung von kommerziell vermieteten Wohnungen schlagen wir eine Komplementierung des Bestandes vor. Der Bestand wird erhalten und sukzessive erweitert. Im Sinne des Gemeinwohls sollen die verschiedenen Einrichtungen neu strukturiert und wieder als eine Einheit gedacht werden.

INNENHOF: Dem Innenhof kommt eine wichtige Rolle als Vermittlungs- und Aufenthaltsraum zu.

 

MASSIVER SOCKEL/STÄDTISCHE FASSADE: Statt dem Graßwall und den Garagen wird der Bereich zwischen den Treppenaufgängen bebaut. Das massive Sockelgeschoss beinhaltet öffentliche Nutzungen, darüber wird gewohnt.

OFFENES ERDGESCHOSS: Die Nutzungen im Erdgeschoss (Werkstätten und Gastronomie) öffnen sich zu beiden Seiten und stellen damit eine Durchlässigkeit von der Straße zum Innnehof her.

MEHR WOHNEN: Auf dem massiven Sockel werden vier neue Wohneinheiten in Holzbauweise errichtet. Die Struktur der bestehenden Wohneinheiten dienen als Vorbild für die neuen Wohnungen. Die Ebene der Brücken und Stege ist gleichzeitig die Erschließung der Wohnungen und Zugang zum Park.

AUSSENRAUMELEMENTE:  Einzelne, additive Elemente ergänzen die Gebäude und den Außenraum. Die Elemente sind als offene, leichte Strukturen gedacht, die sich sehr situativ an den Bestand anfügen.

Aktuell sieht es nicht danach aus, als stünde dem Abriss noch vieles im Weg – auch wir können mit dieser Arbeit maximal einen Beitrag zu der Erinnerung an eine bedeutsame Architektur leisten. Zusammenfassend lässt sich sagen: sie ist BRUTAL SCHÖN.

 

„…dass wir Brutalisten waren, das haben wir heute erst erfahren. Dadurch, dass diese Zeit nun irgend eine Überschrift brauchte. Und diese ist nicht ganz abwegig, auch wenn wir nie an so etwas gedacht haben. (…) Für uns war einfach wichtig, funktional zu arbeiten – Nutzungseinheiten, bestimmte bauliche Zwecke die zu erfüllen waren mit einfachen, handlichen, bescheidenen Gegenständen zu beantworten, und mit denen dann durch Verdichtung ein Bauwerk zu schaffen.“
Günter Plessow Interview im Juli 2021

 

Zur Website von #brutalschön

 

Die Master-Thesis wurde betreut von Prof. Jan Kampshoff (Erstgutachter) und Prof. Dr. Rainer Hehl (Zweitgutachter).