Leerstehende Büro- und Verwaltungsgebäude im Kontext des Wohnungsmangels, Transformationsstrategie eines Typenbaus aus den 70er zu Wohnraum
Masterthesis von Janis Lisa Meyer

Jährlich fehlen über 400.000 Wohnungen in Deutschland, um auch nur annähernd den steigenden Bedarf an Wohnraum zu decken. Gleichzeitig stehen aktuell über 1.000.000 m2 Bürofläche in Berlin leer und davon werden durchschnittlich 77.000 m2 im Jahr abgerissen.

Bereits im Jahr 2020 hatte die Pandemie den Bedarf an Büroflächen drastisch reduziert und nun prägen akute Krisen wie der Ukraine-Krieg, die Energiekrise, Inflation sowie steigende Finanzierungs- und Baukosten die aktuellen Entwicklungen.In den letzten Jahren hat sich die Vorstellung von Arbeit und Wohnen signifikant gewandelt, was zu einem spürbaren Rückgang des Bedarfs an herkömmlichen Büroflächen führt.

 

Welche Potentiale und Chancen ergeben sich daraus für die Wohnungsnot?

Die Thesis setzt genau da an untersucht den Bürobestand in Berlin und deren Umnutzungspotential zu Wohnraum. Dabei zeigte sich, dass über 80% der Büroflächen über 25 Jahre alt sind und ein besonders hoher Bestand aus den 60/ 70er Jahren besteht.

Im Wiederaufbau der Nachkriegszeit wurden Gebäude unterschiedlichster Funktionen gebraucht. So bestrebte man eine Vereinheitlichung der Bauweisen, die einen schnellen Wiederaufbau ermöglichten. Das industrialisierte Bauwesen der DDR hatte im Zuge umfangreicher Standardisierungsbestrebungen hochgradig typisierte Tragwerke hervorgebracht. Es entstanden Typen- und Systembauten, welche breite Anwendung im Wohnungs-, Gesellschafts-, Industrie- und Landwirtschaftsbau fanden. Die Verwendung einer standardisierten Montagebauweisen und dem Modulbaukatalog ermöglichte das viele Gebäudetypologien in dem gleichen System errichtet werden konnten.

Während man für Wohnbauten Waschbetonfassaden einsetzte entwickelten Institutionen wie das Metallleichtbaukombinat für Büro- und Verwaltungsgebäude das System der Vorhangfassade. Die neuen technischen Errungenschaften des Metalleichtbaus ermöglichten einen höheren Grad an Vorfertigung sowie eine „trocken Montage“ und somit einen wesentlichen Zeitgewinn bei der Fassadenmontage. In Ostdeutschland und Polen ist ein hoher Bestand dieser Bauten zu verzeichnen, alleine der TYP Leipzig wurde in der DDR über 200 Mal gebaut doch viele dieser Bauten wurden in den letzten Jahren bereits abgerissen, stehen leer oder verfallen. In Berlin Lichtenberg stehen noch 4 Bauten des Typ Leipzig. Eines davon ist das leerstehende Bürogebäude in der Siegfriedstraße. Es ist seit einigen Jahren ebenfalls dem Verfall gewidmet und eine Leerstandsaktivierung in dringend notwenig um das Gebäude vor dem Abriss zu schützen. Die Thesis soll das Potential dieser hochtypisierten Bauten aus den 70er aufzeigen und in einer Case Study erproben wie man mit minimalinvasiven Eingriffen im Bestand und einer Erweiterung des Modulbaukatalogs dem Gebäude eine neue Lebensperiode geben kann und gleichzeitig Neuen Wohnraum schafft.

Damals wollte man durch die Typisierung den Wiederaufbau Dt. Beschleuigen. Aus einer gesellschaftlichen Not heraus, welche heute ebenfalls wieder besteht. die Not nach bezahlbaren Wohnraum. Warum dann nicht diese Gemeinsamkeit der beiden Zeitschichten in einem und dem selben Gebäude? Wieder sind Standardisierung und Modularisierung im Bezug auf schnelles und nachhaltiges Bauen gefragt. Bauten aus dieser Zeit eignen sich aufgrund Ihrer Bauweise besonders gut für eine Umwandlung zu Wohnraum: Einerseits durch das offene Stützenraster, andererseits durch die nichtragenden Innenwände und die nichtragende Fassade.

Um eine angemessene Transformationsstrategie zu entwickeln wurde für das leerstehende Bürogebäude zunächst ein detaillierter Bauteilkatalog erstellt. Die Bauteile wurden nach ihrem Zustand, ihrer verkörperten Energie und ihrem Kreislaufpotential sortiert. Als Grundlage, um qualifizierte Entscheidungen darüber zu treffen, welche Bauteile erhalten werden können. Das Tragwerk des Typenbau besteht lediglich aus 4 Elementen, den Stahl- Stützen, Längs und Querriegeln und den Stahlverbunddecken. Dabei dient die Auskrakung der Stahlprofile der Stahlverbunddecke der Auflagerung und Lastabtragung der Fassadenelemente. Bei der Vorhangfassade handelt es sich um eine Elementfassade, die auch über den Typ Leipzig hinaus häufig Verwendung fand. Die Fassadenelemente wurden als geschosshohe Bauteile komplett im Werk vorgefertigt und einbaufertig auf die Baustelle geliefert. Dadurch ergaben sich eine hohe Fertigungsqualität und ein schneller Baufortschritt.

Die Leerstandsaktivierung und Transformation zu Wohnraum folgt dabei einigen Leitsätzen im Umgang mit dem Bestand. Dabei soll der Bestand aus den 70ern weitestgehend erhalten bleiben, da ca 80% der im Gebäude gebundenen Energie in der Tragkonstruktion sind. Es soll nur entfernt und rückgebaut was, gesundheitsschädlich ist, nicht mehr repariert werden kann und notwenig ist um eine spätere Wohn-Umnutzung zu realisieren.

Die Zukünftige Wohnnutzung folgt dem Prinzip des Ausbau Hauses und soll sich Prozesshaft in den Bestand eingliedern dabei können mit dem ergänzten Bauteilkatalog die unterschiedlichen Wohnbedürfnisse abgedeckt werden. Dabei soll der Ausbau kreislaufgerecht, verbundstofffrei und aus nachwachsenenden Rohstoffen erfolgen. Raum für diesen Prozess und Wandel bietet das frei bespielbare Erdgeschoss, welches von den Nutzer*innen sowohl als Arbeitsräume und kleine Werkstätten als auch ein Ort des Austausches genutzt werden kann. Im Erdgeschoss können die unterschiedlichen Raumstrukturen vielfältige Funktionen und Schwellen zum Stadtraum gewährleisten.

 

Auf der Rückseite des Gebäuderiegels befinden sich eingeschossige Garagen mit einer Fläche von fast 500qm, welche ebenfalls aktiviert werden und den Bewohner*innen ergänzend zu den Arbeitsräumen im Erdgeschoss als Materiallager und Werkstätten zur Verfügung steht. Dabei können Elemente wie die Trennwände und Türen der ehemaligen Büronutzung eingelagert, und dem Bestand im Prozess des Ausbaus zu Wohnungen nach Bedarf als Materialdepot dienen. Der Entwurf zeigt dabei exemplarisch wie eine zukünftige Wohnnutzung in dem Gebäude aussehen könnte.

Die Master-Thesis wurde von Prof. Jan Kampshoff (Erstgutachter) und Frank Schönert, Hütten & Paläste (Zweitgutachter) betreut.