Hybride Infrastrukturen zur integrativen Waldbrandvorsorge in Brandenburg.
Materarbeit von Carolina von Hammerstein und Vera Kellmann
Die zunehmende Präsenz von Waldbränden sowohl weltweit als auch speziell in Brandenburg lenkt den Fokus auf die Herausforderungen dieses Phänomens. Waldbrände sind nicht allein das Ergebnis von nicht angepassten Prozessen an aktuelle klimatische Veränderungen. Vielmehr bedarf es einer Betrachtung von Abhängigkeiten zwischen territorialen und sozialen Veränderungen im Laufe der Zeit, die dieses Phänomen begünstigen. Landschaften im Anthropozän werden von Menschen, ökologischen Prozessen, Wirtschaft und Politik geformt.
Die Krise verlangt neue Betrachtungen, weshalb die Arbeit die Diskrepanz zwischen Assoziation und Realität von Feuer und Wald und die räumliche Dimension von Waldbränden und der präventiven Maßnahmen diskutiert. Die Komplexität des Phänomens Waldbrand und der zu entwickelnden Maßnahmen sowie die Einbeziehung der Bevölkerung im Sinne der Prävention erfordern eine ganzheitliche Herangehensweise, die verschiedene Disziplinen und ExpertInnen einbezieht.
Im ersten Teil der Arbeit wird das gesammelte Wissen in einem Buch zusammengefasst und durch analytische Zeichnungen und Diagramme ergänzt. Das Buch wird durch eine Karte erweitert, die parallele Prozesse und Zeitlichkeiten illustriert und in Zusammenhang zueinander stellt.
Das Konzept dieser Arbeit fördert die Idee, dass Architektur im 21. Jahrhundert über ihren gestaltenden Charakter hinaus eine inklusive Praxis sein sollte, die verschiedene Wissensformen einbezieht. Architektur kann dabei als Vermittlerin betrachtet werden, um die komplexen Zusammenhänge und Lösungsansätze sichtbar und erfahrbar zu machen.
Angesichts der vermehrten Waldbrände plant das Land Brandenburg die Errichtung eines Waldbrandkompetenzzentrums für eine koordinierte Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen, wie Forst, Feuerwehr und Wissenschaft.
Im Mittelpunkt des Entwurfkonzepts steht die Transformation von individuellem Wissen in kollektives Wissen, da die Waldbrandkrise eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung darstellt. Der Entwurf erweitert die aktuelle Planung um eine öffentlichkeitswirksame Ebene und schafft hybride Strukturen, die Synergien unabhängiger Prozesse fördern.
Sichtbarkeit und Transformation der Gebäude durch Nutzung, Zeit und Volumen sind entscheidende Aspekte des Entwurfs und bestimmen das Erscheinungsbild und die Funktionalität der Architektur. Die Hybridität in den Entwürfen und den konstruktiven Details selbst versucht die beiden Ebenen der Poesie und Realität des Lebensraums Wald zu vereinen.
Mittelpunkt Waldbrandkompetenzzentrum
Der Mittelpunkt des Kompetenzzentrums wird in der Stadt Beelitz-Heilstätten geplant. Er soll als zentraler Ort dienen, an dem ein kollektiver Austausch sowohl zwischen den beteiligten Institutionen als auch mit der Öffentlichkeit stattfinden kann. Dabei steht im Fokus, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern und das Bewusstsein der Bevölkerung für Waldbrände zu stärken.
Um das Thema Waldbrand in der Stadt sichtbar zu machen, wird die Masse der ungenutzten, angeflammten Stämme, von der Waldbrandfläche aus dem Jahr 2022, für die Konstruktion genutzt. Die massiven Holzträger stützen sich auf eine raumhaltige Wand aus vertikalen Stab-wänden mit dienenden Funktionen.
Der atmosphärische Raum im Zentrum des Gebäudes verbindet die Verwaltungsräume des Waldbrandkompetenzzenztrums sowie die öffentliche Nutzung des Gebäudes, als multifunk-tionaler, kultureller Ort für Konzerte, Ausstellungen, Vorträge und Gemeindeveranstaltungen.
Der Kompetenzbereich des Forsts befasst sich mit präventiven Maßnahmen durch die Implementierung eines Waldbrandriegelsystems. Die Intervention macht durch ihre Dimensionierung nicht nur den Streifen sichtbar, sondern begleitet durch ihr Raumangebot die Pflege des Schutzstreifens, den Waldumbau sowie die spätere Nussproduktion. Die Transformation des Gebäudes wird durch die Nutzung und das damit zusammenhängende Aufklappen der Fassaden sichtbar. Um die Arbeit des Försters erfahrbar zu machen, können beispielsweise Schulklassen oder andere Gruppen an Workshops teilnehmen und auf dem Schlafboden übernachten.
Der Kompetenzbereich der Feuerwehr ist an der Grenze zwischen einem aufgelichtetem Wald und einer Lichtung lokalisiert. Diese funktionale Biodiversität wird genutzt, um Brandversuche und spezifische Ausbildungstage im Umgang mit dem Löschen von Waldbränden zu ermöglichen. Durch das Sammeln von Regenwasser wird ein Wasserspeicher gefüllt, der zur Sicherung der Übungen genutzt werden kann. Das Dach stützt sich auf ein schwimmendes Floß, welches als Workshopraum dient. Durch die Veränderung des Wasserpegels verändert sich nicht nur das Dach, sondern auch der Raum, wodurch die Veränderung räumlich spürbar wird. Die Menge des verfügbaren Wassers und des Verbrauches wird so durch das Dach sichtbar gemacht und ermöglicht einen bewussten Umgang mit der Ressource Wasser. Darüber hinaus dient das Dach, durch seine Transformation bei Trockenheit, als Anzeige der Waldbrandgefahr.
Der Kompetenzbereich der Wissenschaft konzentriert sich auf Nachsorge, Beobachtungen und Forschung auf der Waldbrandfläche aus dem Jahr 2022. Der Turm markiert die Waldbrandfläche und wird in seiner Wahrnehmung über die Zeit, durch die sich ändernde Vegetation, transformiert. Für die Öffentlichkeit windet sich eine Treppe bis zu einer Aussichtsplattform hoch. Der Kern des Turmes durchdringt diese Treppe, um Messgeräte und Kameras an der Fassade zu positionieren. Diese treten durch eine überspitze Form an der Fassade heraus, wodurch die Funktionen sichtbar gemacht werden.
Materialität
Ein zentrales Element des Entwurfskonzepts ist die Materialität und Fügung. Insbesondere das Holz, das nach Waldbränden übrig bleibt, wird als wertvolle Ressource betrachtet und soll in den hybriden Strukturen verwendet werden.
Nach Waldbränden werden die verbleibenden Bäume zu großen Teilen gefällt, und das Potenzial der Wertschöpfungskette bleibt weitestgehend ungenutzt. Die angeflammten Stämme werden direkt zur Energiegewinnung verbrannt, ohne dass andere Möglichkeiten der Verwendungen in Betracht gezogen werden.
In den hybriden Strukturen soll getestet werden, inwiefern dieses Holz Verwendung finden kann. Bei der japanischen Technik Yakisugi, die in den Entwürfen Anwendung findet, wird das Holz durch das Feuer selbst veredelt, wodurch es widerstandsfähiger gegen Schädlinge, Wasser und Feuer wird.
Darüber hinaus wird versucht, das angeflammte Holz entweder in seiner aktuellen Form zu verwenden oder durch einfache Schnitte zu zerlegen und den Verschnitt vollständig in den Strukturen zu verarbeiten.
Das Aufzeigen neuer Wertschöpfungsketten und umweltfreundlicher Techniken kann über den Entwurf hinaus als Methode für den verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Holz wirksam sein. Die bewusste Gestaltung und Lokalisierung der Gebäude ermöglicht Besuchern, die Aktivitäten im Waldbrandkompetenzzentrum zu beobachten und zu erleben. Dies trägt dazu bei, die Besucher zur aktiven Beteiligung und zum Verantwortungsbewusstsein für ihre Umwelt zu bewegen.
Die Master-Thesis wurde von Prof. Jan Kampshoff (Erstgutachter) und Ilana Ginton (Zweitgutachterin) betreut.